Erdenkind 3 und 4

by on Nov.11, 2011, under Bücher, Erotik, Fantasy, Gay Romance, Mystery, Romanze


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Auszug:

Leseprobe Erdenkind 4:

Wieder strich Morpheus liebevoll über Konstantins Haar. Seine Hand verströmte Kälte, die Konstantins Blut vibrieren ließ. Es fühlte sich an, als wollte sie es zum Erstarren bringen. Und doch atmete Konstantin, sah er zu, wie Morpheus ihn berührte. Betrachtete das selbstgefällige Lächeln, die fließende Eleganz der Bewegungen.
Er konnte sich nicht rühren, nicht einmal seine Hand zurückziehen oder die auf seinem Gesicht erstarrten Züge verändern. Wie gelähmt kam er sich vor, während er nun endgültig in dem eiskalten Bann von Morpheus’ Augen gefangen war.
„Soll mir recht sein“, sagte Morpheus.
„Was dich zerstört hat, wird Paul helfen, endlich das Ziel zu erreichen, das auf ihn wartet.“
‚Was für ein Ziel?’, dachte Konstantin, brachte jedoch keinen Ton hervor. Morpheus lachte glockenklar.
„Das Schicksal duldet keinen Zweifel. Schon gar nicht in Pauls Fall. Vielleicht liegt es in der Natur des Menschen, sich seiner Bestimmung zu widersetzen. Aber das bedeutet nicht, dass es funktioniert. Schon gar nicht in eurem Fall.“
Konstantins Augen schlossen sich wie von selbst. Er spürte Morpheus’ Finger auf beiden Seiten seines Gesichtes. Sie lagen auf seinen Wangen, pressten sich in die Haut.
„Jetzt ist es so weit“, flüsterte Morpheus.
„Jetzt kommst du mit mir. Gib auf, gib dich hin. Das wolltest du doch, das wolltest du immer schon.“
Konstantin versuchte, den Kopf zu schütteln. Sein Atem rasselte in der Kehle.
„Ich biete dir Frieden“, flüsterte Morpheus.
„Es ist nicht mehr die Zeit, sich zu wehren.“
In Konstantins Körper sammelte sich Stille. Er versuchte, seine Muskeln anzuspannen, sehnte sich danach, sie zu bewegen. Mit jeder Faser seiner Seele kämpfte er gegen die Lähmung an. Doch all seine Kraft wollte nicht ausreichen. Er blieb erstarrt und die Starre schmerzte ihn. Sie schmerzte ihn mehr als das selbstgefällige Lachen des Todes, der ihn umwarb. Er war hilflos, und hilflos hatte er nie sein wollen.
Wenn jemand hilflos war, dann Paul. Paul, der nicht Recht von Unrecht unterscheiden konnte. Paul, der seine Kraft brauchte, seine Unterstützung. Und den er verlassen hatte, von sich gestoßen. Anstatt um ihn zu kämpfen. Und nun sah Morpheus sich als Sieger, nun stand er kurz davor zuzugreifen. Er saugte Konstantin in das dunkle Loch. Und er würde nicht zögern, Paul in ein weitaus dunkleres Schicksal zu zerren. Nur weil Konstantin aufgegeben hatte, weil er zu schwach gewesen war.
Konstantin wurde übel. Hitze wallte in ihm auf, schmolz das Eis aus seinen Eingeweiden.
Cora hatte ihm einen Auftrag erteilt, nur einen einzigen. Nicht viel hatte sie von ihm gewollt, nur das Eine, nur dass er auf Paul achtete. Und er hatte versagt, unzählige Male versagt.
Jetzt war er davongelaufen, ohne Grund, ohne Sinn, aus einer Schwäche heraus. Aus einer selbstsüchtigen Schwäche heraus, die nur Zorn und Tod zur Folge hatte, und, den Worten von Morpheus Glauben schenkend, noch Schlimmeres.
Konstantins Kehle entrang sich ein Heulen, schwoll an und wurde erstickt.
Morpheus verschloss Konstantins Lippen mit einem Kuss. Sein Kuss war süß und fordernd zugleich. Er drang tief in Konstantins Seele, betäubte seine Sinne, betäubte seine Schuld. Und zu seinem eigenen Erstaunen hoben sich seine Arme und schlangen sich um Morpheus’ Nacken.
Konstantin seufzte in den Kuss. Er löste sich auf, sein Körper, sein Geist verschmolzen ineinander und wurden fortgesogen. Durch jeden einzelnen seiner Nervenstränge vibrierte eine neue Lust. Die Lust, sich hinzugeben. Die Lust, alles zu vergessen, was ihn quälte. Endlich alles hinter sich zu lassen, den Kampf zu beenden. Hatte er sich das nicht verdient? War es nicht endgültig genug? Warum sollte er sich weiterquälen? Warum lastete die Verantwortung auf ihm? Verantwortung für eine Ungewissheit, die nicht einmal einen Namen besaß.
Morpheus’ Kuss war leidenschaftlich. Konstantin spürte die kalten Finger, kälter noch als Pauls, überall auf seiner Haut. Sie streiften seine Arme, seine Seiten herab, drangen unter die Kleidung, berührten überempfindliche Haut und brachten seinen Körper zum Beben.
Konstantins Lähmung löste sich auf. Stattdessen schmolz er dahin. Und bemerkte zu seinem Schrecken, dass er Morpheus’ Kuss erwiderte. Er merkte, dass sein Mund sich öffnete, dass er sich nicht wehren konnte. Dass sein Körper trotz der Angst, die in ihm um Gehör kämpfte, reagierte, trotz des Grauens, trotz des Wissens, um wen es sich handelte, der ihn in den Armen hielt. Und welch einen Preis seine Sehnsucht nach sich zöge.
Ihre Zungen tanzten miteinander. Die eiskalte und dennoch köstliche Zunge des Todes spielte mit Konstantins.
Sein gesamter Körper gab nach. Das Zimmer, das nie aufgehört hatte, sich zu drehen, wirbelte um ihn herum. In einem Strudel aus Leidenschaft gefangen, vergaß er alles. Nur noch Morpheus existierte. Morpheus, der perfekt war, schön, der ihm all das gab, wovon er nie gewagt hatte zu träumen. Frieden. Sicherheit. Ein Ende. Und das Gegenteil dessen, was er mit Paul erlebte.
Konstantin erstarrte innerlich. Doch es war nicht die Lähmung, die ihn zuvor gebannt hatte, kalte Schuld ergriff Besitz von ihm, drohte ihn mit ihrer eisigen Last zu begraben.
Nein, schrie seine Seele, gefangen in dem Körper, der immer noch von Morpheus gehalten wurde.
War es das? Vergaß er Paul? Eine Stichflamme explodierte in seinem Inneren. Sie erfüllte seine Brust.
Und er schrie. Er löste sich von Morpheus, glaubte nicht, dass er dazu imstande war, doch es gelang ihm, sich loszureißen. Er schrie immer noch, als er wieder zu sich kam, gegen die Wand gepresst. Er starrte Morpheus an, der seinerseits schmerzerfüllt zurückstarrte. An dessen Lippen, den Händen bildeten sich große Brandblasen.
Morpheus stöhnte leise, betastete vorsichtig seinen Mund und die Blasen verschwanden, die Rötung wich.
Konstantin keuchte.
„Ich werde Paul nicht vergessen, niemals.“
Morpheus schüttelte langsam den Kopf. „Irgendwann müsst ihr alle loslassen. Irgendwann seid ihr alle allein. Du besiegelst deinen Untergang, wenn du dich an Vergängliches klammerst.“
Er stöhnte leise. „Dass ihr das nicht begreifen könnt. Dass ihr nicht versteht, dass nur die Loslösung voneinander Rettung bedeutet.“
„Er ist alles, was ich habe“, keuchte Konstantin. ‚Wie konnte ich das vergessen?‘
Der Schmerz brannte in seinem Inneren.
„Du willst mich in den Tod reißen, um dir dann Paul zu holen. Was glaubst du, wie dumm ich bin?“
Morpheus lachte. „Dumm genug. Meinetwegen führe deinen einsamen Feldzug. Meinetwegen treibe dein Schicksal auf die Spitze. Aber du wirst dir damit nur selbst schaden. Und deinem Bruder.“
Morpheus schüttelte den Kopf. Sein Haar roch verbrannt. Erst jetzt bemerkte Konstantin die verkohlten, sich an ihren Spitzen kräuselnden Haare.
Morpheus seufzte.
„Dein Fieber und dein Wahn verbrennen mich gleichermaßen. Überlege dir gut, ob du Paul in den Abgrund ziehen willst. Der mag seinem eigenen Untergang entgegengehen, aber mit dir zusammen bringt er das Fegefeuer.“
„Ich weiß nicht, warum dich das stören sollte“, brachte Konstantin mühsam hervor.
„Ist es denn nicht gerade das, was du die ganze Zeit über planst?“
Morpheus’ Finger glitten durch sein Haar, das nun wieder hell und glatt aussah. Auch seine Gestalt hatte die gewohnte Haltung und selbstsichere Schönheit wieder angenommen. Langsam tänzelte er näher. Konstantin konnte nicht zurückweichen. Er stand starr. Die Wand hinderte ihn an jeder weiteren Bewegung.
„Was immer du zu glauben oder dir einzureden versuchst, ich bin nicht das Böse. Es liegt nicht in meiner Macht, geschweige denn in meinem Interesse, dir deinen Bruder zu rauben oder auch nur die Vorstellung, die du von ihm besitzt. Sieh mich an. Ich bin keine Bedrohung. Ich bin die Lösung und das Ergebnis. Aber ich kann die Entscheidung nicht für euch treffen. Das müsst ihr selbst tun. Jeder für sich alleine. Im letzten aller Momente steht ihr einsam da, ohne Hilfe, ohne Bindung, ohne die Illusionen, die euch durch ein erbärmliches Leben geholfen haben.“
Wieder beugte Morpheus sich zu Konstantin hinunter. Wieder streiften seine kalten Finger Konstantins Stirn. Glätteten die Falten, die sich auf ihr bilden wollten.
„Du kannst aufstehen“, flüsterte Morpheus. „Auch wenn du es nicht glaubst. Die Würfel rollen in deine Richtung. Nach deinem Willen, wenn du dich für sie entscheidest. Aber ob es die Würfel sind, die du dir vorgestellt hast, das ist eine ganz andere Frage.“
Er lachte wieder, doch diesmal klang sein Lachen zärtlich. Er hauchte einen letzten Kuss auf Konstantins Wange. Der fror, als ihn der kalte Atem traf, ihn mit einem Schwall aus Zuckerwatte einzuschließen drohte.
‚Nein‘, dachte Konstantin und schauderte, ohne sich rühren zu können. ‚Was auch immer geschieht, ich gebe nicht auf.‘
Morpheus zuckte mit den Schultern. „Wie du meinst“, säuselte er. Plötzlich und unerwartet zog er das vergessene Messer aus den Falten seines Hemdes und legte die Klinge in seine offene Hand. Es kam Konstantin vor, als wollte Morpheus ihm die Waffe präsentieren. Doch dann seufzte der, drehte sie in einem Winkel, der das spärliche Licht, das durch die milchige Fensterscheibe in den Raum drang, einfing und widerspiegelte.
Morpheus sah Konstantin an, verzog kurz seine Lippen.
„Du begreifst es nicht“, sagte er leise. „Und ich bin nicht sicher, ob du es je verstehen wirst. Aber die Klinge ist für dich bestimmt. Das war sie immer. Vielleicht erkennst du eines Tages ihre Bestimmung, wenn du schon deine nicht finden kannst.“
Die Wolke aus betäubender Süße umfing Konstantin von Neuem, und er rang nach Luft. Morpheus verschwamm vor seinen Augen. Nur noch ein helles Klirren drang durch seine Sinne, blieb als schriller Ton in seinem Kopf, während er wegdämmerte.
Als Konstantin erwachte, raste immer noch der Schmerz in seinen Ohren. Er kämpfte sich hoch, bemerkte schwach, dass er auf dem Fußboden lag, immer noch zusammengerollt und gegen die Wand gepresst, als versuchte er, vergeblich zu fliehen.
‚Vor Morpheus‘, fiel ihm ein und er blinzelte. Seine Hände tasteten die Wände empor und er schmeckte den Kuss, den sie geteilt hatten, schmeckte Morpheus als bitteren Nachgeschmack einer widerlich verführerischen Droge. Rosa Zuckerwatte haftete an seinen Lippen, sichtbarer Beweis für seine Verfehlung. Ihm wurde übel und er sackte vornüber, landete auf allen Vieren und knickte erneut ein.
Fieber tobte in seinen Adern und er fror, während sein Körper brannte.
‚Paul‘, dachte er nur. Traum oder nicht, es war so einfach. Die ganze Zeit hatte er die Wahrheit geleugnet, aber Morpheus lag richtig. Konstantin wusste nicht, was Paul tat, wozu der in der Lage war. Es war dumm und fahrlässig von ihm, den Jüngeren alleine zu lassen.
Und die Trennung quälte ihn, er quälte sich, solange eine Hälfte von ihm fehlte. Er konnte sich nur ausmalen, wie sehr sie Paul schmerzte. Wozu sie den Bruder trieb.
Seine dumme Ausrede und seine Selbstsucht hatten sie auseinandergejagt. Und Paul konnte ihn nicht wiederfinden, wollte seinen Stolz, seinen Eigensinn oder seine Trauer nicht überwinden, sonst hätte er es längst getan.
Konstantin zitterte. Die Süße, die er noch auf seinen Lippen fühlte, würgte ihn. Sein Magen verkrampfte sich. Konstantin rollte sich ab, bis er auf der Seite liegen blieb, Arme und Knie fest angezogen.
Der kalte Boden schmerzte. Seine Fingerspitzen, viel zu empfindlich, tasteten über die Oberfläche. Jede Berührung schmerzte, sandte Schockwellen durch seinen Körper.
Doch dann erspürten sie etwas Neues. Ruhe und Glätte. Eine Kühle, die den Aufruhr in ihm dämpfte. Die seine Lider veranlasste, sich langsam zu heben. Bis ein scharfer Schmerz ihn weckte. Ein roter Schleier huschte über sein Gesichtsfeld und er sah, was er nicht sehen wollte. Die Klinge lag tatsächlich vor ihm. Sie war Wirklichkeit. Keine Einbildung. Er hatte sich auch Morpheus nicht eingebildet.
Konstantin schloss seine Augen wieder, doch öffnete sie gleich darauf, um den winzigen Blutstropfen zu betrachten, der seinen verletzten Finger entlangrann, sich von der Haut löste und auf dem Boden aufschlug.
Sein Messer. Hatte er es immer bei sich getragen oder tauchte es nur auf, wenn er es brauchte?
Mühsam versuchte er, sich aufzurichten, den Blick auf die Klinge gerichtet.
Vielleicht trug Morpheus das Messer mit sich, vielleicht verführte der mit Waffengewalt. Vielleicht stieß er auf diese Weise Drohungen aus, die er nicht aussprechen wollte, versuchte jene, die sich nicht zu helfen wussten.
Vage entsann Konstantin sich, dass es zwei Messer gewesen waren. Beide aus dem Nichts aufgetaucht und wieder in ein Nichts verschwunden. Obwohl er geglaubt hatte, sie festzuhalten. Obwohl Paul sich an ihnen festgehalten hatte, ließen sie sich nicht greifen. Lösten sich auf und fielen in Vergessenheit, mitgerissen von der Gewalt eines Stromes, den Paul gerufen hatte, in der Erde versunken oder ungesehen zerfallen. Nur Werkzeuge; es zählte, was sie ausrichteten, nicht, was sie waren.
Konstantin schluckte. Seine Hand griff einen Halt, die Brüstung des Bettgestells, und er zog sich ein zweites Mal in die Höhe. Paul, er war der Grund, warum Konstantin nicht aufgeben durfte. Erst musste er wissen, was mit dem Bruder geschehen war.
Genug Zeit hatte er mit seinem sinnlosen Rachefeldzug verschwendet.
Wenn es eine Bestimmung gab, dann die, dass sie zusammengehörten. Und wenn sie zusammen untergingen, dann sollte es sein. Gegeneinander oder miteinander. Aber so oder so konnte keiner ohne den anderen existieren.
Konstantins Finger rutschten ab. Er schlug schmerzhaft auf dem Boden auf, keuchte.
Was hatte Morpheus gewollt, was hatte der versucht, ihm zu sagen?
Konstantin stöhnte auf. Wieder tasteten seine Finger vorwärts. ‚Paul‘, dachte er. ‚Hilf mir.‘
Seine Hand umschloss die Klinge. ‚So ist es richtig‘, hörte er Paul wispern. ‚Nichts ist umsonst. Doch wenn es gelingt, dann wird es dir tausendfach vergolten.‘
Konstantin fühlte die Klinge in seine Haut eindringen, spürte Blut aus seinen Fingern treten. Er stöhnte, doch nicht aus Schmerz. Der Schmerz sickerte mit dem Fieber aus den Schnitten. Langsam, aber gründlich. Wenig nur, spärliche Tropfen, ein dünnes Rinnsal. Und doch öffnete ihm dieses Rinnsal die Pforte zu seinem Glauben und damit zu seiner Kraft.
‚Blutopfer‘ flüsterte Paul und Konstantin verstand.

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